BEGINNER'S GUIDE: Das Schweizer Vorsorgesystem einfach erklärt
Aktualisiert: 3. Mai
Unser BEGINNER'S GUIDE führt Dich durch alle wichtigen Finanzthemen.
Wir zeigen Dir, wie das schweizerische Vorsorgesystem aufgebaut ist und warum es sich lohnt, sich bereits in jungen Jahren über die Vorsorge Gedanken zu machen.
Bevor wir aber im nächsten Teil darüber sprechen können, wie Du Deine Vorsorge ganz konkret aufgleisen kannst (also es um das how-to geht), müssen wir zunächst auf die Grundlagen zu sprechen kommen – also verstehen, warum Vorsorge ein so wichtiges Thema ist.
Die Altersvorsorge entwickelt sich nicht losgelöst, sondern ist abhängig von der Entwicklung der Lebenserwartung, der Wirtschaft und der Gesellschaft, die sich laufend verändern.
Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter und beziehen länger eine Rente.
Das zeigen auch die Zahlen:
1948 betrug die Restlebenserwartung eines 65-jährigen Mannes knapp 12, diejenige einer 65-jährigen Frau etwas mehr als 13 Jahre. Heute beträgt diese Restlebenserwartung bei den Männern 20 und bei den Frauen fast 23 Jahre – also rund 10 Jahre mehr!
Im gleichen Zeitraum ging zudem die Geburtenrate zurück. 1948 wurden auf 1000 Einwohner rund 19 Geburten gezählt, heute sind es noch 10 Geburten auf 1000 Einwohner.
1948 hatte eine Frau im Schnitt 2.5 Kinder, heute sind es rund 1.5 Kinder.
In den 1950er und 1960er Jahren erlebte die Schweiz ein grosses Bevölkerungswachstum. In den zehn Jahren von 1954 bis 1964 stieg die Zahl der Geburten jährlich von rund 84'000 auf fast 113'000, nach 1964 ging sie bis 1974 wieder auf 84'000 zurück. Diese geburtenstarken Jahrgänge bilden die sogenannten Babyboomer. Die Männer und Frauen dieser Generation erreichen nun das Rentenalter. Kein Jahrgang war später noch einmal so mächtig wie die Jahrgänge der Babyboomer.
Fast 43 Jahre ist man in der Schweiz durchschnittlich erwerbstätig. In Europa arbeiten nur die Isländer – mit 46 Jahren – noch länger! Wir zeigen Dir, was diese beeindruckenden Zahlen für Deine Vorsorgesituation bedeuten. Spoiler: Ohne gute Planung und Eigeninitiative muss Du im Alter Abstriche in Kauf nehmen und/oder wohl noch länger arbeiten. Eine Vorsorgelücke ist nämlich leider eher die Regel als die Ausnahme … aber wir greifen vor.
Beginnen wir also ganz am Anfang. Die schweizerische Altersvorsorge basiert auf drei Säulen, nämlich der staatlichen, der beruflichen und der privaten Vorsorge.
1. Säule - staatliche Vorsorge ☂️
Nehmen wir zunächst einmal die 1. Säule genauer unter die Lupe. Die staatliche Vorsorge ist die AHV, sie beruht auf dem Umlageverfahren.
Dabei fliesst das Geld, das die AHV von den aktiven Versicherten einnimmt, direkt zu den Pensionierten.
Für erwerbstätige Personen beginnt die Beitragspflicht am 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahres und dauert bis zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit. Für Personen, die nicht erwerbstätig sind, beginnt die Beitragspflicht am 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und endet mit Erreichen des Rentenalters.
Die Beiträge der erwerbstätigen Versicherten werden auf dem Erwerbseinkommen erhoben. Für die Arbeitnehmenden betragen sie 8.7 Lohnprozente, je zur Hälfte getragen von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern. Die Beiträge der Selbstständigerwerbenden hängen vom Einkommen ab und betragen 4.35 bis maximal 8.1 Prozent davon. Personen, die nicht erwerbstätig sind, bezahlen Beiträge im Verhältnis zu ihrem Vermögen und einem allfälligen Renteneinkommen. Ihr Beitrag beträgt mindestens 503 Franken und höchstens 25'150 Franken im Jahr (alle Angaben für das Jahr 2022).
Die Höhe der AHV-Rente hängt davon ab, (1.) wie lang jemand AHV-Beiträge bezahlt hat und (2.) wie hoch das durchschnittliche Jahreseinkommen war. Für eine vollständige Beitragsdauer braucht es 44 Beitragsjahre. Wer eine Beitragslücke aufweist, hat lediglich Anspruch auf eine Teilrente. Pro fehlendem Beitragsjahr wird die Rente um 1/44 (= 2,27 Prozent) gekürzt.
Wie berechnet sich das durchschnittliche Jahreseinkommen?
Das durchschnittliche Jahreseinkommen besteht in erster Linie aus dem Erwerbseinkommen. Die Summe der Einkommen wird zuerst entsprechend der durchschnittlichen Lohn- und Preisentwicklung aufgewertet und dann durch die Anzahl Beitragsjahre geteilt. Daraus resultiert das für die Höhe der Rente massgebliche durchschnittliche Jahreseinkommen.
Liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 14'340 Franken oder darunter, beträgt die Vollrente 1'195 Franken pro Monat (also 14'340 Franken im Jahr). Das ist die Mindestrente. Liegt es bei 86'040 Franken und mehr, beträgt die Vollrente 2'390 Franken monatlich (also 28'680 Franken pro Jahr). Das ist die Maximalrente. (Beträge für das Jahr 2022). Nicht gerade üppig – oder?
2. Säule - berufliche Vorsorge 🧑🍳👩🏫👨💻
Das Ziel der beruflichen Vorsorge ist es, die AHV-Renten so zu ergänzen, dass der gewohnte Lebensstandard in einer angemessenen Weise weiter geführt werden kann. Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmende obligatorisch, wenn sie bei einem Arbeitgeber mindestens 21'510 Franken verdienen. Man spricht von der sog. Eintrittsschwelle. Obligatorisch versichert ist dann das Jahreseinkommen bis 86'040 Franken. Pensionskassen können aber auch Löhne versichern, die höher sind als 86'040 oder kleiner als 21'510 Franken. Man spricht dann von der überobligatorischen beruflichen Vorsorge.
Die berufliche Vorsorge wird im sogenannten Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Die Versicherten sparen bei ihrer Pensionskasse ein Kapital an, aus dem dann später die Leistungen finanziert werden. Dieses Kapital besteht vor allem aus den Beiträgen und der Verzinsung. Dazu gibt es die Möglichkeit, freiwillige Beiträge und Einzahlungen, sogenannte Einkäufe, zu tätigen.
Das Gesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge für ihre Arbeitnehmer zahlen müssen. Viele Arbeitgeber leisten einen höheren Anteil.
Bei der Pensionierung wird die Pensionskassenleistung meistens in Form einer lebenslangen Rente ausgerichtet, teilweise kann sie aber auch auf einmal in Kapitalform bezogen werden. Auch eine Kombination beider Formen ist möglich.
Wer eine neue Stelle antritt, muss von der Pensionskasse des alten Arbeitgebers zur Pensionskasse des neuen Arbeitgebers wechseln. In diesem Fall muss das vorhandene Guthaben, die sogenannte Freizügigkeitsleistung, in die neue Pensionskasse übertragen werden. Wer nicht sofort eine neue Stelle antritt, muss das Guthaben bis zur Wiederaufnahme einer Anstellung oder bis zur Pensionierung bei einer Freizügigkeitseinrichtung deponieren.
Bei der Pensionierung wird das Altersguthaben in eine lebenslange Rente umgewandelt – sofern es nicht (teilweise) in Kapitalform bezogen wird. Das geschieht mit Hilfe des sogenannten Umwandlungssatzes. Von diesem hast Du bestimmt bereits in den News gehört, aber vielleicht nicht gewusst, was damit genau gemeint ist. Ganz einfach: Der Umwandlungssatz gibt an, wie viel Prozent des Altersguthabens die jährliche Pensionskassenrente beträgt.
Für den obligatorischen Teil (bis zu einem Bruttolohn von 86'040 Franken) ist der Umwandlungssatz im Gesetz festgelegt. Er darf von den Pensionskassen nicht
unterschritten werden. Der sogenannte Mindest-umwandlungssatz beträgt 6.8 Prozent. Das bedeutet, dass die jährliche Rente der Pensionskasse für den obligatorischen Teil 6.8 Prozent des Altersguthabens ausmacht. Je 100'000 Franken Altersguthaben im obligatorischen Teil zahlt die Pensionskasse momentan somit im Jahr 6'800 Franken Rente aus. Mit der Reform der beruflichen Vorsorge soll dieser nun jedoch auf 6.0 Prozent sinken (pro 100'000 Franken Altersguthaben gäbe es also nur noch 6'000 Franken Rente).
In der überobligatorischen beruflichen Vorsorge (alles über 86'040 Bruttolohn) wird der Umwandlungssatz von der Pensionskasse selber festgelegt. Je höher die Lebenserwartung der Versicherten ist, desto kleiner muss der Umwandlungssatz sein, damit das Kapital bis zum Lebensende reicht. Wegen der steigenden Lebenserwartung und den tiefen Zinsen haben viele Pensionskassen den Umwandlungssatz für ihre Renten der überobligatorischen beruflichen Vorsorge in den vergangenen Jahren gesenkt. Beträgt der Umwandlungssatz für den überobligatorischen Teil beispielsweise 4%, so erhältst Du je 100'000 Franken Altersguthaben jährlich 4'000 Rente.
Damit Pensionskassen keine unterschiedlichen Umwandlungssätze für das obligatorische und das überobligatorische Guthaben anwenden müssen, können sie einen sogenannten umhüllenden Umwandlungssatz einsetzen, der für das gesamte Alterskapital gilt. Wenn Deinem Pensionskassenausweis also beispielsweise lediglich ein Umwandlungssatz von 5.5% zu entnehmen ist, dann handelt es sich um einen umhüllenden Umwandlungssatz. Die Pensionskasse hat eine Mischrechnung gemacht und Du erhältst pro 100'000 Altersguthaben jährlich 5'500 Rente.
Hast du am Ende des Berufslebens beispielsweise 500'000 Franken Pensionkassenguthaben angespart, so erhältst du bei einem Umwandlungssatz von 5.5% 27'500 Franken Rente pro Jahr aus der beruflichen Vorsorge. Sinkt der Umwandlungssatz hingegen auf 4.5%, erhältst Du nur noch 22'500 Franken Rente.
3. Säule - private Vorsorge 💰
Die 3. Säule des Schweizer Vorsorgesystems wird auch private Vorsorge genannt. Sie besteht aus der gebundenen Vorsorge 3a und der freien Vorsorge 3b und ergänzt die Leistungen aus der AHV (1. Säule) und der Pensionskasse (2. Säule).
Aufgrund der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung gewinnt die 3. Säule in der Schweiz zunehmend an Bedeutung.
Denn mit den Leistungen aus der 1. und 2. Säule erreichst Du nach der Pensionierung in der Regel nur rund 60% des früheren Lohns. Um aber den gewohnten Lebensstandard aufrechthalten zu können, sollte die Altersrente rund 80-90% des letzten Einkommens ausmachen! Deshalb lohnt es sich bereits für junge Erwachsene, sich mit der privaten Altersvorsorge zu befassen, um der sogenannten Vorsorgelücke entgegenzuwirken.
Die Ursachen für eine Vorsorgelücke sind vielfältig – hier eine Übersicht:
Fehlende Beitragsjahre: Wer beispielsweise wegen Kinderbetreuung, Studium, Weltreise, privaten oder beruflichen Auslandsaufenthalt die Beitragszahlungen nicht regelmässig leistet, handelt sich eine Vorsorgelücke ein.
Hohes Einkommen: Je höher der Lohn, desto kleiner ist im Verhältnis zum bisherigen Einkommen die Rente aus der AHV und der Pensionskasse, wie Du auch der nachfolgenden Grafik entnehmen kannst.
Senkung des Umwandlungssatzes: Wie oben beschrieben, sinkt der Umwandlungssatz zunehmend – d.h. es wird weniger Rente ausbezahlt.
Teilzeitarbeit: Mit einem Teilzeitpensum zahlt man weniger in die Pensionskasse und hat somit weniger Kapital bzw. Rente im Alter. Auch die AHV-Rente wird wahrscheinlich durch das tiefere durchschnittliche Einkommen geringer ausfallen als bei Vollzeitarbeit.
Scheidung: Die während der Ehe einbezahlten Vorsorgebeiträge (AHV, Pensionskasse und 3. Säule) werden gleichmässig auf beide Partner aufgeteilt.
Frühpensionierung: Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmende zahlen weniger lange Geld ein, was die Jahresrente kürzt und zudem weniger Zinsen und Zinseszinsen zur Folge hat.
Die Säule 3a wird deshalb gebundene Vorsorge genannt, weil sie primär zur Altersvorsorge dient und deshalb vom Bund steuerlich gefördert wird. Einzahlungen in die Säule 3a sind nur bis zum festgelegten Maximalbeitrag möglich und können jährlich vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Eine Säule 3a kann grundsätzlich jedermann errichten, der erwerbstätig und AHV-pflichtig ist. Für Arbeitnehmende bildet die Säule 3a eine Ergänzung ihrer
Vorsorge aus der 1. und 2. Säule. Bei selbständigerwerbenden Personen, für welche die 2. Säule fakultativ ist, hat die Säule 3a eine weitaus grössere Bedeutung, sie dient als Ersatz der 2. Säule. Die Säule 3a kann grundsätzlich erst ab fünf Jahren vor dem ordentlichen Pensionierungsalter wieder ausbezahlt werden. Eine frühere Auszahlung ist lediglich für den Kauf eines Eigenheims, Selbständigkeit, Auswanderung oder bei Invalidität möglich.
Sprechen wir nochmals Klartext: Um die Vorsorgelücke zu schliessen, ist die Säule 3a so wichtig! Mit der privaten Vorsorge musst Du die restlichen 20-30% sicherstellen, um Deinen Lebensstandard erhalten zu können. Denn auch wenn das Rentenalter womöglich noch fern scheint, wird es im Alter nicht weniger schmerzhaft sein, wenn Du Deinen gewohnten Lebensstandard nicht mehr halten kannst. Und umso früher Du mit dem Vorsorgen anfängst, umso länger kann Dein Geld für Dich arbeiten. Aufschieben ist daher keine gute Option! Nur mit einer vorausschauenden und frühzeitigen Planung (besser jetzt als morgen) erarbeitest Du Dir die Freiheit, mit einer guten Rente oder womöglich schon vor dem ordentlichen Pensionsalter in Pension zu gehen 🍹.
Wie sieht es nun mit der Säule 3b aus? Die Säule 3b wird freie Vorsorge genannt, weil sie mehr Freiheiten zulässt und ergänzend zur Säule 3a weitere Bedürfnisse abdecken kann. In der Säule 3b gibt es keine jährlichen Maximalbeiträge. Die Beiträge können allerdings nicht von den Steuern abgezogen werden und das Guthaben muss als Vermögen versteuert werden. Säule 3b Produkte, die vor allem von Versicherungen in Form von gemischten Lebensversicherungen angeboten werden, sind meist ziemlich undurchsichtig, teuer und unflexibel. Daher ist von solchen Produkten abzusehen. Das frei verfügbare Vermögen sollte stattdessen kostengünstig angelegt werden (attraktive Konditionen bieten z.B. unsere Partner Selma oder Inyova, wo Du Dein Geld einfach und transparent anlegen kannst, ohne auf starre 3b Produkte zurückgreifen zu müssen).
Schlussfolgerungen + Ausblick 🔮
Wie Du siehst, lässt sich Deine zu erwartende Rente aus der 1. und 2. Säule nicht genau vorhersagen. Da die Bevölkerung immer älter wird, zeichnet sich jedoch ab, dass das Rentenniveau künftig weiter absinken wird, wenn nicht griffige Gegenmassnahmen beschlossen werden. Denkbar wäre etwa die Erhöhung der Beiträge oder eine Erhöhung des Rentenalters. Doch egal wie die Politik die Weichen stellen wird, schlussendlich wird es an jedem Einzelnen hängen bleiben, sei es weil man länger arbeiten oder mehr Beiträge entrichten muss.
Um drohender Altersarmut entgegenzuwirken bzw. vielmehr im Alter finanziell gut dazustehen, ist es daher unumgänglich, dass Du bereits in jungen Jahren etwas fürs Alter auf die Seite legst. Es bietet sich an, die steuerlich privilegierte Säule 3a zu verwenden. So profitierst Du von einer sofortigen Steuerersparnis und kommst nicht in Versuchung, das Geld anderweitig auszugeben.
Solltest Du in Deiner Vorsorge Optimierungsbedarf erkennen, bist Du womöglich an einem unserer Partnerangebote für Säule 3a Lösungen interessiert. Wir arbeiten nur mit Anbietern zusammen, die wir guten Gewissens weiterempfehlen können. Keine Ahnung wie das gehen soll? Im nächsten Teil erfährst Du, wie Du Deine eigene dritte Säule eröffnest 🤓.
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